Berliner Zeitung
Stuttgarter Zeitung
RHEIN-NECKAR-ZEITUNG
DIE RHEINPFALZ
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AUSSTELLUNG DER WOCHE MICHAEl LUTHER „COLOURADO“ IM KUNSTVEREIN LUDWIGSHAFEN
Maler malt Farbe
Wow, was für eine Landschaft, dieses "Colourado"! Über den ganzen Horizont breitet sich ein üppiges Farbgebirge. Wie supercremiges Sahne-Eis türmen sich, gelb, rosa, blau, dazwischen milchig weiß, Farbwürste und Farbhaufen zu soften Gipfeln, die sich in der unbewegten Oberfläche eines Sees zu spiegeln scheinen. Der in Berlin lebende Maler Michael Luther (geb. 1964) hat "Colourado" eigens für die Ausstellung im Kunstverein Ludwigshafen geschaffen. In der monumentalen Arbeit kulminiert sein gewitztes Spiel mit dem illusionistischen Potenzial der Malerei, welches die kunsthistorische Entwicklung von der Gegenständlichkeit zur ungegenständlichen Kunst im Grunde verkehrt. Denn was hier auf den ersten Blick wie freie, informelle, in Farben schwelgende Malerei erscheinen könnte, ist in Wahrheit fotorealistische Abbildung von Gegenständlichem. Wobei die Farbe selbst, ähnlich wie in der ungegenständlichen Kunst, der eigentliche Gegenstand ist. Das erklärt sich so: Im Atelier drückt Luther auf die Tuben, häuft Farbpasten auf Tellerchen und fotografiert dann die pastosen Arrangements. Aus den Fotografien wählt er Ausschnitte, die er in vielfacher Vergrößerung und akribischer Technik auf Leinwand überträgt. Dadurch entstehen Bilder von Farbmassen, die verschiedenes assoziieren lassen: von Softeis über Sahnebonbons bis hin zur Gebirgskette. "Die große Liebe", ein Triptychon, auf dem rosige Fleischfarben dominieren, scheint mitten hinein zu stoßen in die Körperlichkeit - an feucht glänzende Gedärme erinnern die Farbwürste hier. Dabei ist auch die plastische Materialität der Farbe natürlich nur Illusion: Wenn man dicht davor steht, ist jedes Luther-Gemälde eine plane, matte Fläche; erst indem man einige Schritte zurücktritt, entsteht der Eindruck von dreidimensionalem Volumen und glänzender Ölfarbhaut. Im aktuellen, stark von der Ästhetik der so genannten neuen Leipziger Schule geprägten Malerei-Boom erscheint Luthers farbbombastische Werkgruppe als durchaus eigenartige Position. Zwar treiben auch einige der Leipziger, darunter Neo Rauch und Matthias Weischer, bisweilen das Spiel an der Schnittstelle von gegenständlicher und ungegenständlicher Malerei, aber anders als Luther: Sie inszenieren stets eine Kontrapunktik von Architektur und formlosen, die räumliche Illusion in Frage stellenden Flächen. Gegenüber dieser farblich meist eher gedeckt gehaltenen Raum-Dekonstruktion wirkt Luthers auf das Malmittel selbst aufbauendes Vexierspiel sinnlicher, auftrumpfender. Seine Farbpastenbilder sind zugleich ironisch und pathetisch; sie wirken, obschon durchdacht gemacht, ganz unmittelbar. Weshalb sich der Ausstellungsbesuch unbedingt lohnt, auch wenn nur wenige Exponate in der Kunstvereinshalle hängen.
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Kai Scharffenberger, LEO - DIE RHEINPFALZ ,vom 24. - 30.11.2005 |
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