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Die Rocky Mountains liegen auf dem Teller
Frisch aus der Tube gepresst: Michael Luther stellt seine Arbeiten im Kunstverein Ludwigshafen aus
Von Milan Chlumsky
Auf einem großen Teller werden Farben aus der Tube gepresst. Es entstehen bunte Landschaften, die Michael Luther, bevor sie zu trocknen beginnen, fotografiert, so dass sich auch ganz helle Gegenstände des Raumes darin spiegeln Die Farben werden so zubereitet, als ob sie einer realen Landschaftssil- houette entsprechen würden. Die Berggipfel oder Täler, der auf den Hängen sichtbaren Wald oder Wiesen, all dies hat der 1964 im baden-württembergischen Bad Saulgau geborene Künstler zwar im Kopf, bevor er überhaupt zur Farbtube greift, aber die Landschaft kann sich auch gründlich ändern.
Die zweite Phase beginnt, wenn Luther den Pinsel nimmt und das Foto in extremer Vergrößerung - ein Bild wie "Colourado" ist knapp zwei Meter hoch und über 13 Meter lang - auf die Leinwand zu übertragen. Dann zählt jede Kleinigkeit: von der Spiegelung des Lichtes in den Fensterscheiben bis zu den Reflexen im Wasser, was nichts anderes ist als die Farbspiegelung am Tellerboden, die in der Fotografie deutlicher als nur mit dem Auge zu sehen ist. Die akribische Ubertragung sowohl der verschiedenen Farbformen wie auch ihrer Tonalität entspricht genau der Forderung Luthers, wonach eine Malerei nur sich selbst verpflichtet ist: "Inspiriert haben mich Maler, deren Bilder aus der Farbe heraus entstehen, bei denen Farbe Thema ist: Matisse, Soutine, de Stael, Thibaud, Scully und andere. "
Luther geht es nicht darum, als Fotorealist zu gelten. Die figürliche oder landschaftliche Darstellung in der Malerei, deren Ausgangspunkt die Fotografie ist, hat in der letzten Zeit beinahe inflationär zugenommen. Für ihn sind fotografische Vorlagen nach "selbst erfundenen Landschaften" nur ein Ausgangspunkt für einen emotionalen Ausdruck, der beispielsweise in der figurativen Malerei nur selten zu finden ist: "Die Vorlagen für die Bilder - kleine, aus Tubensträngen und Farbseen bestehende Farblandschaften erstelle ich intuitiv, nach Gefühl. Die Wahl des letztendlichen Bildausschnittes treffe ich dann meist bewusst, mit einer mehr oder weniger bestimmten Intention. "
Es ist gut möglich, dass nicht alle großformatigen Bilder Gefallen finden. Der Ludwigshafener Kunst-
verein hat sich dafür entschieden, nur fünf auszustellen und ihnen reichlich Betrachtungsraum zukommen zu lassen. Einige Arbeiten scheinen eher eine Landschaft darzustellen, andere dagegen Körperteile, die allein durch die "Farbform" bestimmt werden.
Während sich eine große Zahl von Institutionen krampfhaft bemüht, Repräsentanten der so genannten Leipziger Schule (und deren Nachahmer) zum hundertsten Mal zu zeigen, sieht der Ludwigshafener Kunstvereins seine Aufgabe darin, Künstler jenseits des Mainstreams und des alles dominierenden Kunstmarkts auszustellen. Gerade in der gegenwärtigen Unübersichtlichkeit in der europäischen Kunstszene ist es zunehmend schwieriger, die Imitate von der wirklichen Suche nach einem neuen Malausdruck zu unterscheiden.
Für Michael Luther, der 1997 Meisterschüler bei Professor Karl-Heinz Herrfurth an der Berliner Hochschule der Künste wurde, ist diese nicht einfache Position des sehr langsam und sehr genau arbeitenden Malers die einzige Lösung, um der Hegemonie des Kunstmarkts zu entgehen. Wie bei ihm jedoch zukünftig die Balance zwischen der "objektiven Ausschnittauswahl" des Bildes und der "subjektiven, emotionalen" Kreation aus der Farbtube auf einer spiegelnden Unterlage ausfallen wird, ist unklar: Die objektiven Darstellungsmöglichkeiten beherrscht der Maler perfekt, die Intuition lässt sich dagegen nicht lenken.
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RHEIN-NECKAR-ZEITUNG / Nr. 279 2. Dezember 2005 |
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